
Wie der Phoenix aus der Asche – die Geburt eines SUPERTRAILS im Wallis
Graue Rauchschwaden verdunkeln den Himmel. Sirenen zerreißen die Stille des Tals. Rotorblätter hämmern durch die Luft – Hubschrauber kreisen zwischen den steilen Hängen. Es klingt nach Kriegsgebiet, ist aber die Realität eines verheerenden Waldbrands, der im April 2011 bei Visp wütete. 120 Hektar Wald gingen in Flammen auf – eine Fläche so groß wie die Altstadt von Luzern. Zurück blieb eine Schneise der Zerstörung – und der Anfang einer neuen Geschichte.
Die Überreste dieses Infernos liegen zu unseren Füßen – heute, 14 Jahre später. Wir stehen in der ehemaligen Brandschneise. Verkohlte Baumreste säumen den Boden. Doch das Schwarz der Asche ist einem Grün des Neuanfangs gewichen. Überall sprießen junge Bäume und Büsche. Was wir sehen, ist der Beweis, dass Natur immer einen Weg findet. Und nicht nur sie.
Denn genau hier entstand etwas Neues: Der Phoenix Trail – ein Mountainbike-Trail, der wie sein Namensgeber aus dem Feuer geboren wurde. Gebaut von Trail Buildern die den Berg lesen und verstehen können. Mit Fingerspitzengefühl und Umsicht schaufelten sie den neuen Trail in den bis 40° steilen Hang. Einer von ihnen: Leo, Trail Builder, Bauzeichner – und heute mein Guide.

Wo Geschichte neu geschrieben wird: im Wallis
Wir stehen im Eyholzwald oberhalb von Visp. Von hier oben blicken wir ins Tal und auf die 8.000-Seelen-Gemeinde im deutschsprachigen Teil des Wallis. An meiner Seite sind Flurina und Leo. Sie kennen das Oberwallis wie ihre Westentasche und guiden mich zu den hiesigen Trail-Perlen.
Die beiden Schweizer leben im Berner Oberland – etwa 65 km Luftlinie entfernt. Doch das Berner Oberland und das Wallis trennen gigantische Berge. Die bekanntesten von ihnen: Eiger, Mönch, Jungfrau oder Finsteraarhorn. Dank des Autoverlads durch den Lötschbergtunnel zwischen Kandersteg und Goppenstein, ist die Fahrt ins Wallis nur ein Katzensprung.
Mit dem Postauto in eine Bilderbuchwelt
Unsere Tour startet im Zentrum von Visp. Wir steigen ins legendäre Postauto – die Schweizer Antwort auf Shuttle-Services mit Bike-Träger. Während die 711 Höhenmeter vergehen, komme ich mit einem Einheimischen ins Gespräch. Entspannt, charmant – typisch Wallis. Vielleicht liegt’s an den 300 Sonnentagen im Jahr. Vitamin D, so scheint’s, macht gute Laune.

Visperterminen – wo die Zeit Holz trägt
Oben in Visperterminen empfängt uns ein Dorf wie aus dem Bilderbuch. Blockhäuser aus sonnengegerbtem Holz, steile Gassen, alpine Bescheidenheit. Tradition trifft Moderne. Ich spüre ein Ziehen in der Brust: Enge und Weite, Entbehrung und Erfüllung. Ein Ort, der wirkt.
Von hier aus geht’s weiter mit eigener Muskelkraft – unterstützt vom E-Antrieb. Der Trail ruft. Und was für einer. Schon bergauf kommen wir in den Genuss eines wurzeldurchsetzten Pfads. So macht Uphill Spaß.

Aufstieg mit Aussicht – und Südtirol-Vibes
Der Weg führt über alte Karrenwege und Forstpfade. Der Boden: staubtrocken, körnig, federnd. Südtirol lässt grüßen. Erinnerungen an das Vinschgau werden wach – und das Grinsen im Gesicht breiter.
Ganz oben liegt noch Schnee. Also queren wir etwas unterhalb. Die Sonne glitzert durch den lichten Wald, unsere Reifen pflügen Staubwände bis hinauf in die Baumwipfel. Flow? Ja, aber noch ist das nur das Warm-up.

Ein Tal, 41 Viertausender – und eine Geschichte
Auf einem Grat eröffnet sich uns die volle Pracht des Wallis. Eine Bergwelt mit 41 Gipfeln über 4.000 Meter – das ist keine Kulisse, das ist ein Monument. Die Dimensionen dieser Region suchen ihresgleichen. Zur Veranschaulichung: Visp liegt auf 658 Metern über Meer. Der höchste Berg des Wallis reicht hinauf auf 4.634 Meter – die Dufourspitze. Fast 4.000 Höhenmeter Differenz. Das Wallis ist vertikale Gewalt. Und genau hier verläuft unser Pfad.
Phoenix Trail – kein glatt gebügelter Flow
Ein hölzerner Torbogen markiert den Einstieg. Der Phoenix Trail beginnt. Leo grinst. „Kein Flowtrail“, sagt er. Und meint: keine langweilige Murmelbahn. Der Trail ist ein Charakterstück – mit Ecken und Kanten, gebauten Kurven, Querungen, Kompressionen und High-Speed-Sektionen. Kein Einheitsbrei. Sondern ein Trail mit Handschrift.

Wir losen aus, wer vorfährt. „Schäri, Stei, Papier“ – Schnick-Schnack-Schnuck auf Schweizerisch. Flurina gewinnt. Sie schießt durch das Tor. Wir hinterher. Und dann beginnt das Spiel aus Geschwindigkeit, Technik, Vertrauen – und Glück.
Der Phoenix zeigt den Weg
Die letzten Sonnenstrahlen kitzeln die Grate, während wir durch Visp zurückrollen. Der Staub klebt noch an den Beinen, das Grinsen ist längst eingebrannt. Was bleibt? Nicht nur die Erinnerung an eine Abfahrt voller Adrenalin und Aussicht. Sondern das Gefühl, dass hier mehr passiert ist, als nur das Fahren eines Trails.
Der Phoenix Trail ist kein Produkt aus dem Lehrbuch. Er ist Ausdruck einer Haltung: Mut zur Vision, Respekt vor der Natur – und Liebe zum Mountainbiken. Er zeigt, was möglich ist, wenn man Zerstörung nicht als Ende, sondern als Anfang begreift.

Für mich war es mehr als eine Tour. Es war ein Eintauchen in eine Landschaft, die geprägt ist von Gegensätzen: Feuer und Leben. Wildheit und Gestaltung. Berg und Tal. Und mittendrin – ein Trail, der diese Gegensätze verbindet. Mit Linie. Mit Seele. Mit Sinn.
Wer das Wallis sucht, findet hier einen seiner kraftvollsten Momente.
Wer Mountainbiken lebt, wird den Phoenix Trail nie vergessen.
